Henning Krumrey

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Fragen an den Kandidaten #2

Hier finden Sie meine Antworten auf Fragen, die im Laufe meiner Kandidatur gestellt wurden.

Es gibt eine große Politikverdrossenheit. Wie würden Sie AfD-Wähler und Querdenker, die derzeit negativ dargestellt werden, wieder in die Gesellschaft zurückholen?

Es wäre völlig falsch zu sagen: Alle, die zu einer Querdenker-Demo gehen, sind eindeutig Neonazis oder halbe Reichsbürger. Ohne Zweifel sind Neonazis und Reichsbürger dabei, das ist ja leicht zu erkennen. Aber es sind bei den Demos auch viele Verzweifelte dabei, die aus Angst um ihren Arbeitsplatz, ihre Familie, ihre wirtschaftliche Existenz an der Pandemie und an der Politik verzweifeln. Viele, so hoffe ich, kann man zurückgewinnen, auch unter den AfD-Wählern. Das heißt für uns: Wir müssen die Probleme der Menschen anpacken. Die meisten Leute interessieren sich nicht für das große Gedankengebäude des Liberalismus, sondern wir müssen ihnen sagen: Das ist der Lösungsvorschlag der FDP für Ihr Problem. Generell – das sieht man ja an der Lockdown-Debatte – muss Poltiik viel besser erklären, was sie warum plant und macht. Ausgrenzen und Sprachlosigkeit bringen nichts.

 

Wer ist Ihr politisches Vorbild?

Es gibt nicht die eine Person, die Lichtgestalt, die mich begeistert hat. Ich habe durch meine journalistische Tätigkeit alle Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker der vergangenen drei Jahrzehnte aus der Nähe erlebt. Jede hat ihre Stärken, jeder hat seine Schwächen. Die klar marktwirtschaftliche Haltung von Otto Graf Lambsdorff hat mir gefallen, aber wir wissen alle, dass seine politische Gesamtbilanz nicht makellos ist. Helmut Kohl hat die mutige Revolution der Menschen in der DDR mit seinem Verhandlungsgeschick ergänzt und damit die deutsche Einheit realisiert. Aber an ihm haften der Parteispendenskandal und die verpassten Reformen. Gerhard Schröder hat sich mit seinen Reformen des „Fordern und Fördern“ um Deutschland verdient gemacht, was etliche Fehler unter Rot-Grün nicht ungeschehen macht. Und Angela Merkel hat manche Krise gut bewältigt und doch die Modernisierung des Landes, für die sie eigentlich gewählt worden war, einfach zu den Akten gelegt. Vor allem aber: Spitzenpolitiker sind alles auch nur Menschen.

 

Wo hat die FDP thematisch das größte Defizit?

Ich sehe kein fundamentales Themen-Defizit. Die FDP hat zu allen wichtigen Themen klare Positionen. Aber wir stellen zu wenig dar, dass unsere Lösungen sich nicht an wenige, sondern an alle Bürger richten. Ich stelle in Gesprächen oft fest, dass Menschen überrascht sind, wenn man ihnen die einzelnen Positionen vorstellt. Wenn man auf die Schilderung ihrer gesellschaftlichen und privaten Vorstellungen darlegt: Es gibt nur eine Partei, die genau das fordert – die FDP.

In der Sozialpolitik, um nur ein Beispiel zu nennen, hat die FDP überzeugenden Konzepte und hervorragende Sozialpolitiker wie Johannes Vogel oder Pascal Kober, die glaubwürdig sind. Aber es gelingt uns nicht, das Vorurteil zu entkräften, Sozialpolitik käme bei uns nicht vor und wir seien kaltherzig. Wir haben kein Themen, sondern ein Vermittlungsproblem.

 

Der Landesfachausschuss Liberaler Rechtsstaat hatte sich für die Abschaffung der

Zulassungsberufung nach §124 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) ausgesprochen. Würden Sie dieses Anliegen im Bundestag unterstützen?

Bei diesem Vorschlag handelt es sich um die Rückkehr zu jener Gesetzeslage, die vor der großen VwGO-Reform 1996 galt. Ein wesentlicher Kritikpunkt an jener Rechtslage war das Problem, dass neben zu langen Verfahrensdauern im Verwaltungshandeln auch langwierige Verwaltungsgerichtsprozesse zu insgesamt langen Zeiträumen führten, bis z.B. ein Genehmigungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Im Kern geht es um die Frage, ob – bzw. in welchem Ausmaß – eine Verkürzung der Verfahren zu einer Verkürzung der Rechte der Verfahrensbeteiligten führt.

Für mich ist entscheidend: Gegen jedes erstinstanzliche Urteil muss dem klagenden Bürger ein Recht auf Überprüfung der Entscheidung gesichert sein (übrigens: nicht „gewährt werden“, das wäre hoheitliches Denken).

Dies scheint mir allerdings auch bei der heute gültigen Rechtslage der Fall zu sein (zu einer Bedingung komme ich gleich). Denn auch unter der heutigen Rechtslage kann der Bürger ein erstinstanzliches Urteil überprüfen lassen. Zwar ist die Zulassung der Berufung auf enumerativ aufgelistete Fälle beschränkt, in diesen Fällen ist die Berufung dann aber auch zuzulassen. Entscheidend ist aus meiner Sicht für die Wahrung der Bürgerrechte insbesondere, dass die Berufung zugelassen werden muss, wenn die Prüfung grobe Rechtsfehler in der ersten Instanz feststellt.

Jetzt kommt die von mir angekündigte Bedingung: Es muss durch die Gerichtsorganisation sichergestellt sein, dass eine Zulassungsentscheidung nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst wird. Beispiel: Wenn der über die Zulassung entscheidende Senat mit seiner Entscheidung bewirken könnte, ob er sich mit dem entsprechenden Fall befassen muss (also sich zusätzliche Arbeit auflädt), ist eine unbefangene Beurteilung u.U. nicht gegeben. Es sollte also sichergestellt sein, dass der über die Zulassung befindende Senat nicht auch jener ist, der dann die Berufung selbst zu entscheiden hat.

Sofern also sichergestellt ist, dass die Beurteilung der Zulassung von sachfremden Überlegungen frei ist, scheint mir die aktuelle Gesetzeslage ein praktikabler Kompromiss zwischen einem rechtsstaatlich angemessenem Instanzenzug einerseits und den Erfordernissen von rechtskräftigen Genehmigungen in einem zeitlich halbwegs überschaubaren Rahmen.