Fragen an den Kandidaten #1
Wie gehen Sie mit den politischen Rändern um?
Wir müssen uns der Diskussion mit den Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums stellen, nicht nur um Wähler von uns zu überzeugen, sondern um die Menschen für die Demokratie (zurück) zu gewinnen. Ich halte nichts von Ausgrenzung: „Wenn die teilnehmen, nehmen wir nicht teil.“ Das gibt diesen Parteien nur mehr Bedeutung – und gleichzeitig Macht über Veranstaltungen. Vielmehr müssen wir uns immer wieder der Diskussion stellen und mit Argumenten dagegenhalten. Man darf sich von extremen Parteien nicht durch die Manege treiben lassen. Wir müssen für unsere Positionen einstehen, sie gut erklären und durchhalten, auch bei Gegenwind. Wenn eine extreme Partei sagt: 2 + 2 = 4, dann können wir doch nicht sagen: Nein, da kommt 5 heraus, nur damit wir nicht dieselbe Position haben wie jene Partei. Inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der AfD, der Linkspartei oder dem BSW wird es nur sehr selten geben, weil wir Freien Demokraten ein anderes Menschenbild und ein anderes Staatsverständnis haben.
Wir haben zu wenige junge Menschen, die sich mit Innovationsthemen befassen. Was ist zu tun?
Innovation ist vielschichtig. Das eine ist die Diskussion um die Stärkung der MINT-Fächer. Wenn die naturwissenschaftlichen Fächer an Zuspruch verlieren, fehlt uns eine wesentliche Basis für Innovation.
Im Bereich der Startups sehe ich die Möglichkeit besserer Mitarbeiterbeteiligung. Damit nämlich nicht nur die Gründer selbst im Falle des Erfolges beim Verkauf ihrer Firmen Millionen bekommen – was ich ihnen sehr gönne -, sondern damit auch die vielen angestellten Entwickler am Erfolg partizipieren, denn sie haben wesentlich zu einem solchen Erfolg beigetragen. Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Denn diese Entwickler hätten dann auch selbst einen besseren Kapitalgrundstock, um wiederum selbst gründen zu können.
Was mir allerdings auch sehr Sorge macht, ist die gesellschaftliche Fixierung darauf, dass jeder Abitur machen und eigentlich auch studieren muss, damit er überhaupt als vollwertiger Teil der Gesellschaft angesehen wird. Die Facharbeiterausbildung und das Handwerk geraten dabei völlig ins Hintertreffen. Jeder von uns kann heute selbst spüren, wohin das führt: Das Schlagwort „Facharbeiterlücke“ ist inzwischen geläufig, und jeder hat schon lange auf Handwerker gewartet oder vor einer verschlossenen Café-Tür gestanden, weil Fachleute und inzwischen auf einfach Arbeitskräfte aller Art fehlen.
Innovation wird nicht nur in Hochschulen und nicht nur von Akademikern im Allgemeinen und Wissenschaftlern im Speziellen vorangebracht. Ein erheblicher Fortschritt entsteht auch durch die praktische Entwicklungstätigkeit, die beispielsweise von Facharbeitern geleistet wird. Deshalb müssen wir zum einen das gesellschaftliche Ansehen der beruflichen Aus- und Weiterbildung erheblich steigern und zum anderen die Berufsbilder immer weiter modernisieren, um sie auch attraktiv zu erhalten.
Was muss aus Ihrer Sicht unbedingt in eine Koalitionsvereinbarung, die die FDP unterschreiben könnte, und was wäre ein No Go für Sie?
Den Weg in die Staatsverschuldung, den wir in den vergangenen Jahren immer weiter gegangen sind, müssen wir stoppen, damit die nächsten Generationen nicht noch mehr belastet werden. Nur die Beachtung der Schuldenbremse seit 2015 hat es ermöglicht, diese Schulden jetzt aufzunehmen. Ein kleinteiliges, aber sehr konkretes Thema: Der Verlustrücktrag muss schnell deutlich ausgeweitet werden, beispielsweise zurück bis zum Jahr 2017. Dies bringt Selbstständigen und Unternehmen, die von Corona-Einbußen betroffen sind direkt Liquidität und kommt gleichzeitig Unternehmen zugute, die schon erfolgreich am Markt waren, also ein funktionierendes Geschäftsmodell hatten. Dann geht die Förderung nicht an Firmen, die vielleicht gar kein tragfähiges Konzept haben. Für Gründer, die in ihren ersten ein, zwei Jahren naturgemäß noch keine Gewinne erzielt haben, muss man zusätzliche Lösungen finden. Technologieoffene Innovation an allen Fronten, insbesondere die Digitalisierung öffentlicher Verwaltung. Denn Bürokratie behindert uns nicht nur durch die Menge an Vorschriften, sondern auch durch den langsamen Geschäftsgang, weil den tapferen Mitarbeitern in den Verwaltungen schlicht die technischen Mittel fehlen.
Was nicht geht: Keine weiteren Belastungen für die nachfolgenden Generationen, egal ob Rente, Staatsverschuldung, Nachhaltigkeit.
Wie weit ist Inklusion bei Ihnen verankert?
Das Thema ist mir vertraut, weil ich im Evangelischen Johannesstift zur Schule gegangen bin. Da hatten wir auch Mitschüler mit Einschränkungen. Insofern ist Inklusion für mich etwas Selbstverständliches. Ich habe neulich gerade eine junge Medizinerin kennengelernt Ärztin an einer großen Berliner Klinik, die ihren Unterarm verloren hat – eine inspirierend selbstbewusste Frau, phantastisch. Wir können und müssen Inklusion an vielen Stellen noch mehr Normalität werden lassen.
Aber an einer Stelle Wasser muss ich Wasser in den Wein gießen: Ich weiß von Lehrern hier in Berlin, denen Inklusion aufgedrückt wurde: Der Stellenschlüssel wurde nicht angepasst, die versprochenen Betreuer waren nicht da, so dass sie den verschiedenen Bedürfnissen nicht gerecht werden konnten: Weder den Bedürfnissen der Kinder mit Behinderung, noch denen der übrigen Kinder. Die Lehrer waren völlig überfordert. So wie es in Berlin gemacht wurde, geht es nicht. Denn wenn wir es falsch machen, richten wir Schäden nicht nur bei den Beteiligten an – den Schülern und den Lehrern -, sondern auch politische Schäden, weil Inklusion damit diskreditiert wird.